„Richtige Blechinstrumente und richtige Musik“

Es ist überliefert, dass der Militärmusiker Johann Georg Huber und sein Sohn, der spätere Vereinsgründer Paul Huber, in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bei Hochzeiten und anderen Veranstaltungen zur Unterhaltung und zum Tanz aufspielten. Johann Georg Huber erkannte das musikalische Talent seines Sohnes Paul und kaufte ihm im Jahr 1904 eine Ziehharmonika. Die beiden fanden dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige musikbegeisterte und -begabte Freunde, mit denen sie auf „richtigen Blechinstrumenten richtige Musik“ machten, wie es Paul Huber später formulierte. Im Jahr 1909 gründeten Johann Georg Huber und der 17 Jahre junge Paul Huber eine Blaskapelle. Johann Georg Huber am Bass, Sohn Paul Huber am Tenorhorn, Küfermeister Anton Geiger an der Trompete und Postbote Jakob Kramer am Flügelhorn trafen sich zu regelmäßigen Musikproben. Die Gründung dieser Kapelle ist im Gemeinderatsprotokoll vom 26. September 1909 schriftlich festgehalten. Das Jahr 1909 muss deshalb als Beginn organisierter Blasmusik in Kirchbierlingen gesehen werden. 

Vereinsgründung und erste Jahre

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die musikalische Tätigkeit sofort wieder aufgenommen und am 24. Februar 1924 der Musikverein Kirchbierlingen im Saal der Wirtschaft „Zur Traube“ in Kirchbierlingen gegründet. 17 Mitglieder zählte die Musikkapelle unter der Leitung von Kapellmeister Paul Huber und die stolze Anzahl von 80 Bürgern trat dem neuen Verein am Gründungstag bei. In der ersten Satzung des Vereins stand übrigens: „Für die aktiven Mitglieder des Vereins finden wöchentlich 1-2 Übungsabende statt und jedes aktive Mitglied ist verpflichtet, sich pünktlich und rechtzeitig einzufinden.“ Unentschuldigtes Fehlen und Zuspätkommen wurde mit einer Geldstrafe belegt. Weiterhin hatte der „Dirigent die Pflicht, jedes aktive Mitglied anständig zu behandeln“ und die aktiven Mitglieder waren verpflichtet dem „Dirigenten unbedingt Folge zu leisten“.

Das damalige einheitliche Erkennungsmerkmal waren lediglich einheitliche Schirmmützen, weil man sich schlicht keine komplette Uniform leisten konnte. Bereits 1931 richtete der Musikverein das erste Kreismusikfest aus. Bis die Wirren des Zweiten Weltkrieges die Musik in Kirchbierlingen zum Erliegen brachten, konnte der junge Verein bereits einige Erfolge bei Wertungsspielen vorweisen. Bereits damals traten die Kirchbierlinger in der Oberstufe an und errangen fast durchgehend einen ersten Preis. Sichtlich stolz waren die aktiven Mitglieder auf die erste vollständige Uniform des Musikvereins. Diese bestand aus den vorhandenen Schirmmützen, einer militärischen Paradeuniformjacke, schwarzer Hose und schwarzer Krawatte.

Ein neuer Anfang

Schon 1946 wurden die ersten Proben abgehalten. Ab dem 4. März 1947 genehmigte die französische Militärregierung die Fortführung des Vereins und ein halbes Jahr später wurde der Verein neu gegründet. Im Jahr 1951 schaffte sich der Musikverein seine dritte Uniform an. Ob diese wegen der französischen Besatzungsmacht an eine französische Militäruniform erinnerte, vermag niemand mehr zu ergründen. Diese Uniform musste jeder Musikant zunächst aus der eigenen Tasche bezahlen. Erst nach dem zweiten Kreismusikfest im selben Jahr in Kirchbierlingen zahlte der Verein die Auslagen an die Musikanten zurück. Die dritte Uniform war „Made in Kirchbierlingen“: Schneidermeister Carl Scheffold schnitt den ausgewählten Stoff in seiner „Feinen Mass-Schneiderei“ zu. Die Näharbeiten erledigte er dann mit seinem Kollegen Schneidermeister Oscar Lerner.

Jugendarbeit

Schon 1954 nahm Andreas Huber, Sohn von Paul Huber, mit einer Jugendkapelle an Jugendwertungsspielen teil. 1960 übernahm er dann den Taktstock von Paul Huber und leitete die aktive Musikkapelle bis ins Jahr 1969. Vom Vereinsgründer und ersten Dirigenten des Musikvereins Paul Huber blieb Anton Hummel, zurzeit ältester (Jahrgang 1950) aktiver Musikant im Musikverein, vor allem in Erinnerung, wie Paul Huber die Instrumente für die Neulinge auswählte. Paul Huber sagte: „Mit danne zwoi große Schaufla vonna dá káschd du koi Trompeta spiela. Du griagscht a Tenorhorn, des bassd am beschda zu deine Zeeh´ ond Lippa, glaub mr`s.“ Heute wohl unvorstellbar. Natürlich stellte sich „Opa Huber“ mit dieser Vorgehensweise seine ideale Besetzung zusammen.

Zukunftsweisende Jahre

Jahre der stetigen musikalischen Weiterentwicklung prägten die Zeit des Musikvereins Kirchbierlingen unter der musikalischen Leitung von Andreas Huber und seinem Nachfolger und Bruder Georg Huber. Als ein Höhepunkt dieser Ära darf sicherlich das Jubiläumskonzert „70 Jahre Blasmusik in Kirchbierlingen“ im April 1979 in der alten Stadthalle in Ehingen gesehen werden. Das Konzert vor weit über 600 Zuhörern in der, bei einem musikalischen Konzert, erstmals vollbesetzten Stadthalle endete mit dem Marsch Jubelklänge. Das Ehinger Tagblatt berichtete von einem „Massenzulauf“ und dass alle „von der Leistung der Pfarreimusikanten hellauf begeistert“ waren.
1984 richtete der Musikverein Kirchbierlingen das dritte Kreismusikfest aus. „Beim Kreismusikfest 1984 zeigten wir Kirchbierlinger was wir können – richtig gut feiern. Auch von einem richtigen Platzregen am Sonntag nach dem Umzug ließen wir uns das großartige Festwochenende nicht vermiesen“, erinnert sich der langjährige Musikant und das Ehrenmitglied des Musikvereins Reiner Schick.

Bereits 1990 begannen die Planungen für das bis dahin größte Projekt des Musikvereins Kirchbierlingen – der Musikerheimbau (siehe Seite 66). In nachweislich über 18.000 Arbeitsstunden errichteten sich die Kirchbierlinger Musiker ein Vereinsheim, das heute noch seinesgleichen sucht. 1994 wurde das Musikerheim eingewiehen. Dazu legte sich der Musikverein eine neue Uniform zu. Am Martinskonzert 1994 übernahm Josef Huber den Taktstock nach 25 Jahren von Georg Huber. Georg Huber wurde zum Ehrendirigenten ernannt. Ein Jahr später übernahm der heutige Dirigent der Aktiven Kapelle, Frank Auchter, die Jugendkapelle von Georg Huber junior.